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LP der Woche vom 04.02.2008 "Superpunk - Why Not?"

„Why Not?“ ist die vierte lange CD von Superpunk und es ist die verdammt nochmal Beste weit und breit, eine Steigerung, eindeutig, und ich kann es begründen.

Es ist Spaß, wo kein Spaß ist, es sind Perlen vor die Säue einer Kultur, die gesungene Diddelmausgrußkarten für Pop hält.
Zum Beispiel: „Ich funktioniere nicht mehr“ oder „Ja, ich bereue alles“ sind so ungefähr die düstersten Dinge, die man sagen kann. Aber wenn Superpunk sie sagen, grinst man automatisch breiter als ein Safeknacker beim Anblick der Goldbarren. Und, ähm, Carsten Friedrichs, das ist der Sänger, singt jetzt sogar sexy! Man lausche bloß seiner gequälten Behaglichkeit bei „Baby, ich bin zu alt“... pure Pop-Magie! Überhaupt dieser Carsten, welch Enigma, welch widersprüchlich-faszinierende Erscheinung! Ein fanatischer HSV-Fan, der München mag („Parties in München“). Ein Soulmusik liebender Punk, der eine Schwäche für Musicals hat (das hat er mir selbst gestanden, spät nachts, entsetzt von sich selbst). Wenn er sich dann mal einen Blick auf die Sonnenseite gestattet („Ich find alles gut“, „Hamburg ist der Platz für dich“), ist sowieso alles fein. Auch, und das ist diesmal das Besondere, für Leute, die bisher nichts mit Superpunk anfangen konnten. Denn die 2008er-Ausgabe klingt einfach fantastisch, eine Top-Produktion, die den rabaukigen Funken der Band eingefangen hat und trotzdem angenehm flott ins Ohr geht.

Tim Jürgens: Im Büro bei Tag, Rocker bei Nacht. Spielt Bass.
Lars Bulnheim: Hamburgs führender Soul-DJ. Spielt Gitarre.
Thorsten Wegner: Hamburgs führender Musik-Sammler. Spielt Schlagzeug.
Thies Mynther: Hamburgs führender musikalischer Kosmopolit. Spielt die Keyboards.
Carsten Friedrichs: Na ja, er ist halt Carsten. Spielt die andere Gitarre und singt.

Immer wenn man denkt, diesen feinen jungen Männern auf die musikalische Schliche gekommen zu sein - früher Bowie, SoulSoulSoul, was auch immer - gibt es einen unerwarteten Dreh, eine frische Wendung. Kastagnetten, Ambient-Anklänge ... die Sache bleibt immer am köcheln. Manchmal dachte ich: "Man, das hier ist die einzige ernst zu nehmende Band ÜBERHAUPT." Aber sie stapeln tief. Ein Lied wie „Ich trinke“ z.B. gibt nicht vor, mehr zu sein als ein guter Witz. Ein Mann hat eine Tendenz zum Alkoholismus und kann dem viel Positives abgewinnen. Kein Sauflied, bloß ein paar schlichte Feststellungen. Aber auch keine Warnung vor der Trunksucht, so ähnlich wie Lou Reeds „Heroin“ kein Anti-Drogensong ist. Ich für meinen Teil war fasziniert. Dann erschüttert. Und vor allem die ganze Zeit lang extrem gut unterhalten. Superpunk tun etwas für ihren Hörer: Partylaune und Parallelen, sag’ ich mal.

„Why Not?“ spielt im Spannungsfeld zwischen Selbstzerfleischung und Stolz, zwischen Resignation und Tatkraft. Es geht um einen Ausweg „zurück in die Moderne“. Wenn Sie das nicht kennen, wenn Sie dort nicht hin wollen, muss Sie dies alles nicht interessieren. Aber ich musste mich kurz aufdrängen.
Wie gesagt, ein Fan schreibt.

Bernd Begemann

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06.02.2008

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