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LP der Woche vom 10.11.2008 "Jazzanova - Of All the Things"
Bei Jazzanova gibt es immer einen Wahnsinns Erklärungsbedarf: "Die ganze Zeit muss man den Leuten erklären, was da jetzt eigentlich der Sinn dahinter ist"
sagt
Alexander Barck, einer der DJs von Jazzanova,
mit einem ironischen Grinsen. „Manchmal ist das komisch
für uns, weil wir uns
selbst gar nicht diese Gedanken machen. Wir lieben Musik,
hören sehr viel Musik
– alt, neu - und machen gern Musik. Und das ist es. Ein
spielerisches Umgehen
damit“.
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Klingt
plausibel, ist aber stark untertrieben. Denn
das sechsköpfige Clubkollektiv gehört weltweit zu den
gefeierten Innovatoren im
Dancefloor, im NuJazz, Broken Beat, im modernen Folk und Soul. Rund um
den
Globus beten DJs und Vinylfreaks Jazzanova an. Ihre Remixe für
Masters At Work,
Fat Freddys Drop, 4Hero oder Ursula Rucker sind Kleinode. Aber auch
für so
verschiedene Künstler wie Lenny Kravitz, Common, Azymuth oder
Calexico haben
die sechs Berliner gerne das Kunststück gezeigt,
unterschiedlichstes
Ausgangsmaterial mit Respekt zu behandeln und dabei allem eine
unverkennbaren
Jazzanova Sound-Signatur zu geben.
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Die
Fähigkeit Musik verschiedener Stile auf einen
Nenner zu bringen und ihr enormer Aufwand und Einsatz die
Möglichkeiten
auszuloten und umzusetzen wird nicht nur sehr in der internationalen
Musikwelt
respektiert, sondern treibt sie auch immer einen Schritt voraus zu
gehen. Dabei
ist ihre Musik authentisch und funktioniert "ebenso auf dem Montreux
Jazz
Festival wie auch im illegalen Kellerclub des Cousins deiner Freundin",
schrieb WaS-Kulturredakteur Cornelius Tittel. Wo andere Produzenten
acht
Pseudonyme haben, mit denen sie jeweils in dieselbe stilistische Kerbe
hauen,
bringen die sechs Berliner immer als "Jazzanova" einen achtbaren,
außerweltlichen, unberechenbaren Stilmix heraus.
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"Berechnung
spielt in diesem Prozess keine
Rolle" betont Stefan Leisering. Es interessiert nicht, in welchem
aktuellen Genre-Zusammenhang die Musik steht mit der man sich gerade
beschäftigt, was das gerade für einen Hipness-Faktor
hätte. Der Weg, die
Entwicklung seien das Ziel. Es mache Spaß, "auf der Suche
nach dem
'perfekten' Sound an ganz vielen verschiedenen Stationen vorbeizukommen
und die
Leute daran teilhaben zu lassen".
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"Unsere
Musik kann die Leute mit auf eine Reise
nehmen", sagt Alexander Barck. "Wenn wir es schaffen, sie damit zu
faszinieren, wenn wir Menschen, die, sagen wir, brasilianische Musik
nicht
mögen (oder das zumindest dachten) dazu kriegen, zu einem
Brasil-Track zu
tanzen, wenn die sagen: 'noch nie gehört, aber Wahnsinn, ist
jetzt meine
Lieblingsmusik' – das sind die schönen Momente in
einer Produktion oder in
einem DJ-Set."
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Diesen
Enthusiasmus, diese selbstbewusste
Unbefangenheit, gepaart mit professioneller Ethik hört man
sofort auf
Jazzanovas neuem, zweiten Studioalbum "Of All The Things“
heraus. Es fällt
sofort auf, dass Jazzanova wieder mit verschiedenen Stimmen gearbeitet
haben
und die Mehrzahl männlich ist.
"Dass es so viele Männer geworden sind, ist eigentlich eher ein Zufall“ sagt Claas Brieler "aber alles klingt richtig". |
Die
Liste an Musikern, die für dieses Album
aufgenommen wurden, ist so umfangreich, dass man es nicht
aufzuzählen könnte.
Man denke sich nur, dass Jazzanova in den letzten Jahren allein als DJs
wohl
mindestens 80 mal um die Welt gefahren sind und dabei von jeder Reise
einen
Musiker mitgebracht haben.
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"Für
uns sind zunächst einmal die Komposition,
Planung der Songs und Produktion der Instrumentals, das in sich
verbundene
Album Werk. Wenn wir dann mit den Stimmen arbeiten, dann
wählen wir sie
natürlich gezielt aus und platzieren sie genau so, wie sie in
unsere Vision
passen. Wir fügen sie als Elemente in unser Bild ein. Dieses
Gesamtbild ist das
Album. Eine gesamte zusammenhängende Geschichte, und so wie
Instrumentierungen
und Stile verschieden sind, sind es eben auch die Sänger. Aber
das sind wir und
den Zusammenhang kann man hören" sagt Axel Reinemer.
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Überhaupt hört, spürt und fühlt man viel beim Durchhören dieser Musik! |
10.11.2008