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Asylpaket II

Am 25. Februar wurde das Asylpaket II im Bundestag verabschiedet.
Die große Koalition hat sich auf das Asylpaket II geeinigt. Kanzlerin Angela Merkel, Siegmar Gabriel Vize-Kanzler und SPD-Chef und CSU-Vorsitzender Horst Seehofer haben sich auf eine strikte Verschärfung der Asylregeln geeinigt.
Diese Verschärfung beinhaltet eine Aushöhlung der momentanen Regeln für Asylsuchende in Deutschland.


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Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz sind nicht mehr berechtigt Ihre Kernfamilie, sprich Eltern und Kinder nach Deutschland nachzuholen. Dieses Nachzugsverbot soll für die folgenden 2 Jahre bestehen. Ausnahmen bilden dabei Geflüchtete, die sich in Auffanglagern in der Türkei, Jordanien oder dem Libanon befinden. Diese Angehörigen sollen mit Kontingenten nach Deutschland geholt werden. Diese Kontingente müssen aber erst noch von der EU besprochen und bewilligt werden.
Als 2. Punkt werden Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer behandelt werden. Der Plan ist es spezielle Unterkünfte für Geflüchtete aus diesen Länder zu finden, um die Abschiebung zu erleichtern. Innerhalb von 3 Wochen sollen die Geflüchteten diese Sammelstellen wieder in Richtung Herkunftsland verlassen.
Diesen Flüchtlinge ist das Umherreisen innerhalb Deutschlands verboten. Sie bekommen auch erst finanzielle Unterstützung, wenn sie sich in der geplanten Region registriert haben.
An dritter Stelle steht die Zahlung der eigenen Integration. Die große Koalition hat sich auf einen Beitrag 10€ monatlich für Integrationskurse geeinigt.

Auch gesundheitlich angeschlagene Geflüchtete sollen schneller wieder abgeschoben werden. Nur wirklich starke und gefährliche Krankheiten werden toleriert und Geflüchtete länger in Deutschland gestattet.

Das Asylpaket II erntet aus ganz Deutschland heftige Kritik. Günter Burkhardt, Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation „Pro Asyl“, nennt es einen gravierenden Einschnitt in das Grundrecht des Zusammenlebens der Familie. Das Schleppergeschäft würde so nur noch mehr angekurbelt werden und noch viel mehr Menschen würden den Tod im Mittelmeer finden. Wie viele Gegner des Asylpaket II auf diese Annahme kommen erklärt Martin Arnold vom Thüringer Flüchtlingsrat:
„ Warum kommen eigentlich so viele junge allein reisende Männer? Das liegt nicht daran, dass sie tatsächlich alleinstehend sind, die Flucht nach Europa ist tatsächlich sehr sehr lang und kostet sehr viel Geld und im Sinne des Sprichworts „Survival of the fittest“, werden natürlich die Männer vor geschickt, die dann versuchen die Kernfamilien, die Kinder, die Frauen auf sicherem Wege nachzuholen. Sonst gibt es eigentlich gar keine legalen Fluchtwege nach Europa, dass bedeutet und das sehen wir jetzt auch schon im Januar, dass auch wieder verstärkt Frauen und Kinder in die Bote steigen. Die Balkanroute wird zunehmend dicht gemacht, dass heißt es muss damit gerechnet werden, dass die Todeszahlen im Mittelmeer wieder steigen und vor allen dingen wieder mehr Frauen und Kinder darunter sind, weil der Familiennachzug, also der sichere Weg nach Europa ausgehebelt ist.“

Auch der Thüringer Flüchtlingsrat reagierte im Vorfeld auf den Gesetzesentwurf des Asylpaket II. Allerdings ohne Erfolg. Am 25. Februar wurde das Asylpaket II vom Bundestag beschlossen – trotz scharfer Kritik von Kirchen, Verbänden und Menschenrechtsorganisationen. Inzwischen ist auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strasser, aus Protest gegen das Asylpaket II zurück getreten.
Vor allem Geflüchtete die unter subsidiärem Schutz stehen, müssen mit gewaltigen Abstrichen leben. Subsidiärer Schutz bedeutet, dass bei einer Abschiebung Todesstrafe oder Folter im Herkunftsland zu erwarten sind. Für diese Schutzsuchenden ist der Familiennachzug verboten, über eine Dauer von zwei Jahren. Besonders trifft dieses Verbot unbegleitete minderjährige Flüchtlinge wie Martin Arnold vom Thüringer Flüchtlingsrat erklärt:
„Die Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte, bedeutet natürlich, dass die Kernfamilie nicht nachgezogen werden kann. Das betrifft auch Menschen aus Syrien, aus Afghanistan, eigentlich aus allen Ländern und insbesondere schwierig ist es bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Denn wenn subsidiär geschützte minderjährige Flüchtlinge ihre Familie über zwei Jahre nicht nachholen dürfen, ist das nicht nur eine Aussetzung, sondern auch ein dauerhaftes Verbot des Familiennachzugs, weil wenn mit 16 Jahren minderjährig nach Deutschland kommt, zwei Jahre warten muss, dann ist man 18. Ab dem 18. Lebensjahr hat man nicht mehr die Möglichkeit so ohne Weiteres die Kernfamilie nachzuziehen. Vor allen dingen bei minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen ist es zweifelhaft, was das bringen soll. Es sind im Jahr 2015 442 Personen gewesen, die einen Aufenthalt in Deutschland bekommen haben, weil sie von einem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling nachgezogen wurden. Das heißt, das sind sehr geringe Zahlen, trotzdem erfolgt hier ein großer Einschnitt. Es gibt viele Menschenrechtsorganisationen, auch das deutsche Institut für Menschenrechte, die klar feststellen, dass diese Regelung auch gegen die UN-Kinderrechtskonvention spricht.“

Menschenrechtsorganisationen wie „Pro Asyl“ erwarten außerdem eine Willkür in den neu entstanden „besonderen“ Aufnahmezentren (BAE). Die Spaltung der Zahl der Geflüchteten in Gruppen ein Frontalangriff auf das individuelle Asylrecht ist erklärt Martin Arnold:
„Das Asylpaket II, also die Verschärfung und Abänderung mehrerer Gesetze ist ein Frontalangriff auf das individuelle Asylrecht. Während der Erstaufnahmen, also in den ersten Monaten, wenn ein Flüchtling in Deutschland erst einmal aufgenommen und untersucht wird, wird schon getrennt. Wer hat Aussicht auf Erfolg, auf Anerkennung und wer nicht. Das erfolgt recht willkürlich und in kürzester Zeit. Vor allen dingen sind die Fristen enorm kurz gesetzt. Es ist so, dass schon innerhalb einer Woche entschieden werden soll welche Perspektive ein Schutzsuchender in Deutschland hat. Dementsprechend wird er dann in gesonderte Aufnahmelager, so zumindest die Befürchtung, gebracht. Die Strategie dahinter ist, dass Menschen aus sicheren Herkunftsländern, Menschen die keine Passdokumente oder gefälschte Passdokumente haben prinzipiell schon in Sonderaufnahmeeinrichtungen kommen. Das heißt nie in die Kommune verteilt werden. Jetzt muss man dazu aber auch wissen, dass viele Menschen keine Passdokumente oder gefälschte Passdokumente haben, weil es schlicht weg keine anderen Möglichkeiten gibt nach Europa zu kommen oder auch das eigene Land zu verlassen. Es gibt also vielschichtige Hintergründe, warum das so ist. Das ist also nichts zwingend kriminelles oder böswilliges war hier getan wird. Darüber hinaus gibt es dann beschleunigte Verfahren für diese Menschengruppen. Das heißt, die Widerspruchsfristen sind auf eine Woche verkürzt. Es muss in kürzester Zeit entschieden werden. Auch der Klageweg ist stark beschnitten, d.h. es wird hier von Gerichten nur noch nach Aktenlage entschieden. Es gibt keine mündlichen Anhörungen mehr, die Gerichte sind auch angehalten in kürzester Zeit zu entscheiden. Der Amtsermittlungsgrundsatz ist weitestgehend ausgehebelt. Gerichte haben keine Zeit sorgfältig zu prüfen. Hier wird im Endeffekt das individuelle Asylverfahren ausgehebelt und es wird nach Gruppen entschieden; wer bekommt ein reguläres Asylverfahren mit einer ausführlichen individuellen Prüfung und wer nicht.“

Aus dieser Willkür heraus entstehen nicht nur Probleme für Geflüchtete, sondern auch für hauptberufliche und ehrenamtliche Helfer, die die Geflüchteten in der Erstaufnahmen generell unterstützen, dazu Martin Arnold;
„Jetzt haben wir ja eben von diesen verkürzten Fristen gesprochen. Beschleunigte Verfahren für Menschen, die also einen Folgeantrag stellen, Menschen aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern kommen oder Menschen die vermeintlich nicht offen ihre Passdokumente hinlegen bzw. beim Verfahren nicht ausreichend mitmachen. Da sind auch sehr willkürliche Formulierungen in den Gesetzesabschnitten. Das bedeutet natürlich auch, dass die Menschen in dieser verkürzten Zeit kaum noch ein Chance haben sich mit dem deutschen Asylverfahren ausreichend auseinander zusetzen und sich auch über Widerspruchsmöglichkeiten oder gewissen Rechtsschutz zu erkundigen. Das stellt vor allem Unterstützer*innen vor große Herausforderungen, weil hier innerhalb kürzester Zeit in der Erstaufnahme ausführliche Beratung stattfindet, aber in den meisten (besonderen) Erstaufnahmen so gar nicht vorgesehen ist. Es ist auch so, dass viele Ehrenamtliche in Deutschland zu Erstaufnahmestellen gar keinen Zutritt bekommen.“

Das Asylpaket beinhaltet nicht nur die schnellere Abschiebung von Menschen aus vermeintlich sicheren Herkunftsländern, sondern auch die schnellere Abschiebung von Menschen mit Erkrankungen. Nur Menschen mit schweren oder lebensgefährlichen Krankheiten werden nicht frühzeitig abgeschoben:
„Also bisher ist es auch oft so, dass viele Menschen eine Flucht antreten, weil sie schwere Erkrankungen haben und im Heimatland keine Chancen haben sie therapiert zu bekommen. Es gab bis jetzt auch immer Abschiebehemmnisse, quasi Gründe, die eine Abschiebung unmöglichen machen, z.B. schwere Erkrankungen. Das wurde jetzt im Asylpaket II geändert, d.h. es gibt eine sehr sehr hohe Hürde nicht mehr abgeschoben zu werden, durch Erkrankungen. Es müssen sehr sehr teure und aufwendige Gutachten eingeholt werden,. Es ist innerhalb der kurzen Fristen gegen ein Abschiebung vorzugehen kaum möglich. Ein normaler Arzt reicht bei so einer Begutachtung nicht mehr aus. Es gibt auch eine Liste bestimmter Ärzte und Ärztinnen, die diese Gutachten machen dürfen. D.h. Menschen die eine Erkrankung haben, können abgeschoben werden in das Heimatland. Man geht bei bestimmten Ländern auch davon aus das hier prinzipiell eine medizinische Versorgung möglich ist. Man möchte damit natürlich Menschen abschieben, obwohl sie eine schwere Erkrankung haben.Ganz besonders hervor zu heben ist, dass das psychiatrische Gutachten nicht mehr berücksichtigt werden, sondern das man hier auch amtsärztliche Gutachten einholen muss. Wie gesagt, innerhalb der kurzen Fristen kaum möglich. Es gab in der Vergangenheit schon Abschiebungen von sehr kranken Menschen, die in Begleitung von Ärzten und Ärztinnen abschoben wurden. Das soll jetzt sozusagen zur Regel gemacht werden. D.h. Menschen werden in eine unsichere Lage, in eine unsichere Krankenversorgung zurück abgeschoben.“
Besonders hart trifft es Menschen, die auf der Flucht oder schon im Herkunftsland durch Krieg, Verlust oder Vertreibung Traumata erlitten. Was diese Menschen durchleben müssen, wenn sie genau in dieses Land zurück geschickt werden, ist kaum nachvollziehbar.

Im Asylpaket II ist auch eine Richtlinie zu Integrationskursen zu finden. Ab dem 25. Februar bezahlen Geflüchtete für Integrationskurse einen monatlichen Beitrag. Dazu Martin Arnold:
„Insbesondere gilt noch hervor zu heben; Es gibt ein existenzielles Minimum, das ist im Endeffekt, das Arbeitslosengeld II hier in Deutschland. Der aktuelle Satz für Asylbewerber*innen liegt da noch drunter und jetzt sollen sich Asylbewerber*innen auch noch an den Kosten für Integrationskursen beteiligen. Da werden also 10€ pauschal monatlich abgezogen und es spielt überhaupt gar keine Rolle, ob man z.B. fließend Deutsch spricht, weil man vielleicht an einer Afghanischen Hochschule Deutsch unterrichtet hat. Fraglich ist auch, wie man dort mit Kindern umgeht, also Kleinstkinder, ob die auch diesen Betrag abgezogen bekommen. Das ist alles sehr willkürlich und entspricht nicht unbedingt einer Verbesserung der Lebensumstände für Flüchtlinge.“



Das Asylpaket II wird als „Hauruck Aktion“ von seinen Gegner angesehen. Das Asylpaket II ist ein Einschnitt in die Rechte von Geflüchtete und verbessert den hiesigen Schutz ihrer nicht. Die Zivilgesellschaft sowie zahlreiche Verbände wurden bei der Verabschiedung dieses Gesetzes übergangen, so Martin Arnold abschließend:
„Das Asylpaket II hat an sich überhaupt keine Verbesserung für Schutzsuchende in Deutschland. Es gibt Kleinigkeiten, dass z.B. Menschen die Schutz suchend nach Deutschland gekommen sind und eine Ausbildung gemacht haben, prinzipiell erst einmal unabhängig von ihrem Status zwei Jahre lang noch bleiben können, ansonsten gibt es allerdings nur Einschränkungen.
Das zeigt vor allen dingen auch wie dieses Gesetzespaket, Gesetzesänderung, Asylpaket II entstanden ist; in einem parlamentarischen Schnellverfahren. Die Zivilgesellschaft so wie die Fachverbände wurden kaum beteiligt. Die Fachverbände hatten nur wenige Stunden Zeit durch das mehrere hundert Seiten dicke Papier zu lesen und das zu kommentieren. Hier wurden auch demokratischen Grundsätze ausgehebelt. Es gibt wieder herum andere Schutzleitlinien, wie zum Beispiel, die EU-Aufnahmerichtlinie, die hier in Deutschland eigentlich schon im Juli 2015 umgesetzt werden sollte, da lässt sich die Bundesregierung scheinbar viel Zeit, da hat man es nicht nötig im Hauruck-Verfahren durchzusetzen.
Eine weitere Besonderheit ist auch, dass das Asylpaket in mehrere Teile gespalten wurde und auch nur wenige Gesetze tatsächlich durch den Bundesrat geschleift wurden. Also hier hat man auch versucht bestimmte demokratische Gremien zu unterwandern, um die Gesetzesänderung möglichst schnell durch zu bringen.
Und wenn man jetzt sieht welche Fachverbände und zivil-gesellschaftlichen Institutionen, bei der Gesetzesgebung außen vorgelassen wurden, dann wir das schon ziemlich gruselig. Ich kann mal die Liste derer vorlesen, die das breite Bündnis darstellen, die das Asylpaket II massiv kritisieren ist neben Pro Asyl noch der Jesuiten Flüchtlingsdienst, die Caritas, die Diakonie, der paritätische Gesamtverband, der AWO Bundesverband, der deutsche Anwaltsverein, die neue Richtervereinigung, Amnesty International, das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Bundespsychotherapeuten Kammer, die bundesweite Arbeitsgemeinschaft, der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer und natürlich alle 16 Landesflüchtlingsräte zu erwähnen. Allein diese Liste sollte Mahnung genug sein, dass dieses Asylpaket II ganz grundsätzliche Rechten widerspricht und eine große Unverschämtheit darstellt.“

Paula Gorka
07.03.2016

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